Gemeinde Allschwil

40 Jahre offene Jugendarbeit in Allschwil – Rückblick und Ausblick in drei Teilen

06.11.2018

In einem ersten Teil schreibt Heinz Kraus, ehemaliger und langjähriger Leiter des Freizeithauses Allschwil, über eine abwechslungsreiche, zum Teil turbulente, aber auch erfolgreiche Zeit in der Offen Jugendarbeit, die er über die Gemeinde hinaus stark mitgeprägt hat.

Im Jahr 1989 schloss der Gemeinderat den 1978 entstandenen Jugendtreff Allschwil (JTA), nachdem innert zwei Jahren die Holz-Baracken dreimal brannten. Das letzte Ereignis war ziemlich verheerend, wobei der alte Teil völlig wegbrannte.

Jugendkaffi
Mitarbeitende des angrenzenden Robi-Platzes renovierten zusammen mit Jugendlichen die noch bestehenden Gebäudeteile mit finanzieller und fachlicher Unterstützung durch die Bauverwaltung der Gemeinde. Ein provisorischer Betrieb, das „Jugend-Kaffi“ wurde eingerichtet, welches an zwei Abenden pro Woche geöffnet war. Betreut wurde das bald sehr beliebte „Jugend-Kaffi“ von den Robi-Mitarbeitenden, verstärkt durch Jugendarbeitende in Ausbildung. Monatliche Anlässe mit der Disco-Gruppe „Polygon“, später „Tigerbird“ wurden angeboten und zogen bis zu 200 Jugendliche aus Allschwil und Umgebung in die neu gestalteten Räume am Hegenheimermattweg an. Die von einem Jugendlichen selbst produzierten „Burger“ waren die kulinarischen „Renner“ auf der Speisekarte.

Parallel zum Provisorium rief der Gemeinderat 1990 eine politisch und fachlich breit abgestützte Arbeitsgruppe ins Leben, welche ein „Neukonzept JTA“ ausarbeiten sollte. Auch Jugendliche des „alten JTA“ waren in der Arbeitsgruppe vertreten.

Abstimmung JFZH
Der Gemeinderat und Einwohnerrat stimmten dem Neukonzept zu. Doch wurde das Referendum ergriffen, so dass eine Volksabstimmung nötig wurde. Mit viel Engagement und kreativen Ideen engagierte sich Allschwils Jugend, die Lehrerschaft, politische Parteien und der Robiverein im Abstimmungskampf für das neue Haus. Eine stolze Mehrheit von 73 %-Ja-Stimmen gab grünes Licht für die Umsetzung des Konzeptes, den Neubau (jetzt als Massivbau konzipiert), der nicht mehr so schnell in Flammen aufgehen konnte, ebenso der Zusammenlegung von Robi und Jugendhaus sowie der Gründung einer Jugendkommission.

Neues JFZH

Das klare Bekenntnis der Allschwiler Behörden und der Bevölkerung zur Offenen Jugendarbeit war die Basis für weitere Jahrzehnte aktueller, erfolgreicher und bedürfnisgerechter Jugendarbeit in Allschwil. Eine erste „Benefiz-Gruftie-Disco“ fand erstmals im Mai 1992 im „Jugend-Kaffi“ statt und finanzierte die Einrichtung des neuen Jugendhauses, welches im Oktober 1992 mit einem grossen Fest eröffnet wurde.

Ausweis JFZH

Die Präsenz des Hauses in den Medien weckte auch Bedürfnisse der Jugend aus den nahen Basler Quartieren, welche das Haus mehr und mehr für sich in Anspruch nehmen wollten. „Bee-eff-tschi /BFG 4055“ – was für Burgfelder Grenze stand - machten sich mit rüdem Verhalten gegenüber Allschwiler Jugendlichen im Haus breit. Als Gegenmassnahme wurden im Jahre 1993 JFZH-Ausweise als „Member-Card“ ausgegeben, womit sich die Anonymität der auswärtigen Jugendlichen umgehend aufhob und die Situation beruhigte.

In den Folgejahren etablierte sich das Jugendfreizeithaus als Ort der Jugendkultur mit Bandraum, Veranstaltungsraum und als Konzerthaus. Einige Bands schafften den Durchbruch in der Basler Rock-Szene, andere gingen sang- und klanglos unter. Klingende Bandnahmen wie „Scrambled Eggs“, „Toxic Guineapigs“ oder „Head Stones“ teilten sich den Bandraum. Ein grosses Benefiz Music-Festival für „Terre des Hommes“ mit 12 Bands ging 1998 im und um das Jugendfreizeithaus über die Bühnen. Zwei Open-Air Konzerte auf der Wiese 1999 und 2000 waren richtige „Kraftakte“ für das Team und die dabei engagierten Jugendlichen.

Als Allschwiler Kompetenzzentrum für Prävention, verstärkt durch die Präsenz der Drogenberatung BL im Hause, wurden im JFZH Allschwil mehrere kantonale Präventions-Kampagnen gegen das „Folienrauchen“ (1995), „Jugend + Alkohol“ (1997) und „Cannabis Konsum“ (1999), „Gehörschutz für Jugendliche“ gestaltet.

Aufbau
Für die geschlechtsspezifische Jugendarbeit wurden spezielle „Männerabende“ und „Frauenabende“ (1996) eingeführt. Eine Street-Soccer-Anlage ergänzte das Sportangebot im Winter auf dem Basketball-Platz (1994), und Skater-Elemente wurden für die Jugendlichen angeschafft. Im Jahre 1999 wurde erstmals das Internet-Office in Betrieb genommen, welches von da an als fester Bestandteil des täglichen Jugi-Betriebes in Anspruch genommen wurde.

JFZH
Um die Jahrtausendwende wurde die Berufshilfe auf- und ausgebaut und anfänglich rege genutzt. Weiter entstand nach einem Jahr Bauzeit dank dem Engagement und dem unermüdlichen Einsatz einer Gruppe Jugendlicher die „BMX- oder Dirt-Bahn“ (2003/2004) auf der grossen Wiese hinter dem Jugi.
Aus den vorausgehenden Schilderungen lässt sich unschwer ersehen, wie sich die Jugend und mit ihr das Jugendfreizeithaus ständig veränderte, ohne auf jeden neuen „Mainstream“ einzugehen, eine grosse aber spannende Herausforderung für die Jugendarbeitenden. Um stets am Puls der Jugendarbeit zu sein, gab es einen intensiven Austausch mit anderen Jugendhäusern im Kanton Baselland und der Region. Zudem konnten wir uns als kantonale Vertreter an der „Oberrheinkonferenz – Arbeitsgruppe Jugend“ auch an grenzüberschreitender Jugendarbeit orientieren.

DVD

Mit dem „Pärkli-Wäschpi“, einer dreirädrigen Vespa APE wurde in Allschwil erstmals die „Mobile Jugendarbeit“ im Jahre 2002 ins Leben gerufen. „Littering“, exzessiver Alkoholkonsum und Lärmbelästigungen an neuralgischen Orten wurden zum Problem in Allschwil. Die Präsenz der „Mobilen Jugendarbeit“ konnte diese stets wechselnden „Jugend Hot-Spots“ nach zwei bis drei Jahren beruhigen und die Jugendlichen für die Einhaltung gesellschaftlicher Regeln überzeugen. Die Probleme entschärften sich zusehends mit der Verbreitung des Internets und der Handys. Die Jugend blieb vermehrt zu Hause vor den Bildschirmen oder im abends und am Wochenende geöffneten Jugendfreizeithaus.

Eines der „High-Lights“ der Allschwiler Jugendarbeit war der Dreh eines Filmes (2008) über die Lebenssituation der Jugend in unserem „Dorf“. Das professionelle Filmteam „Filmformat“ aus Basel führte Regie, Kamera und Schnitt. Den Filminhalt bestimmten die Jugendlichen weitgehend selber. Als Produzent stand das Jugendfreizeithaus in der Verantwortung. Den „Soundtrack“ spendierten ehemalige Jugi-Besucher von „Brandhärd“, „Stereotype“ und „Schwellheim“. Der Film „Im Rausch der Jugend – Ansichten und Einsichten von Jugendlichen zu Cannabis und Alkohol“ mit Film-Premiere im Kult-Kino Camera war für uns alle, Jugendliche wie Jugendarbeitenden, ein grosses Erfolgserlebnis und wurde am „Gässli-Film-Festival“ in Basel prämiert. Mehrere hundert Exemplare wurden in die ganze Schweiz verkauft und verschickt und für die Präventionsarbeit an Schulen und in Heimen genutzt. Gesponsert wurde das Projekt von der Gemeinde, dem Rotary-Club Allschwil, Coop Pronto, dem Lotteriefonds BL, dem Verein „Oberwil hilft“.

Im Jahre 2010 starteten wir eine grosse Umfrage bei 650 Allschwiler Schülerinnen und Schülern zum Thema „Wie gerne lebst du in Allschwil“. Zusammen mit der IT-Abteilung der Gemeinde wurde die Umfrage ausgewertet, wobei die Gemeinde Allschwil als Wohnort für Jugendliche gut wegkam.
Im Jahre 2012 wurden durch eine neue, sportbegeisterte Jugendarbeiterin erstmals im Winter die „Sportnächte“ angeboten und sie waren von Anfang an sehr beliebt. Samstagabends ist für die Jugendlichen in Allschwil nicht viel los. Umso willkommener sind die betreuten „Sportnächte“ in der grossen Turnhalle des Schulzentrums.

Im Jahr 2013 heisst es für den Schreibenden „den Hut nehmen“, pensionieren und sich anderem widmen. Ein sehr erfülltes 32jähriges Engagement für die Jugend in Allschwil geht zu Ende. Die ganze Zeit über wurde die Offene Jugendarbeit von den Gemeindebehörden, den Parteien, der Verwaltung, Vereinen und vielen Sponsoren unterstützt und mit Wohlwollen begegnet. „Grufties“ haben an den bisher 39 Benefiz-Anlässen ihren grossen Teil dazu beigetragen, dass die beschriebenen Projekte erst möglich waren, ohne der Gemeinde immer „auf der Tasche“ zu liegen. Behörden, Eltern und Jugendliche haben mit ihrem Vertrauen in diese Institution und der Benützung des Jugendfreizeithauses ihre Sympathie bekundet und ein 40-jähriges Jubiläum erst möglich gemacht.

Heinz Kraus, ehem. Abt. Leiter Jugendarbeit + Freizeit
Zur Person: Heinz Kraus war von 1981 bis 1992 Leiter des Robinsonspielplatz Allschwil. Nach dem Zusammenschluss des JTA und dem Robi und mit dem verbundenen Neubau des Jugendfreizeithauses wurde Heinz Kraus Leiter der neuen Freizeitanlage und leitete die Institution bis zu seine Pensionierung 2013. Zudem war Heinz Kraus von 1995 bis 2001 Hauptabteilungsleiter, BEK (Bildung, Erziehung, Kultur) der Gemeinde Allschwil.

Chronik zum JTA/Jugendfreizeithaus
• Juni 1977: Gründung eines Initiativkomitees zur Realisierung eines Jugendhauses
• Oktober 1977: Geschenk einer Baracke von der römisch-katholischen Kirchgemeinde Allschwil
• April 1978: Bewilligung eines Kredites durch den Einwohnerrat zur Erweiterung der Baracke
• Dezember 1978: Eröffnung des Jugendtreffs Allschwil (JTA) am Standort Hegenheimermattweg 76
• Herbst 1980: Konzeptgruppe erarbeitet Ausbaupläne
• Frühling 1983: Bau einer zusätzlichen Holzbaracke mit Bühne und Veranstaltungsräumen
• 1985/87/88 Drei Brände im JTA. Die alte Baracke brennt ab
• 1989/90: Renovation des Holzgebäudes durch Mitarbeiter des Robi, Kinder und Jugendlichen; Bildung einer Kommission zur Erarbeitung eines Neukonzepts Jugendtreff samt Neubau
• 1990 bis1992: Provisorischer Betrieb unter dem Namen Jugend-Kaffi
• Oktober 1992: Organisatorischer Zusammenschluss von Robi und JTA; Eröffnung des Neubaus unter dem Namen Jugendfreizeithaus (JFZH)
• 2004: Ausarbeitung eines Neukonzepts für den Robi samt Planung des Ersatzbaus für die maroden Robi-Baracken
• 2007: Aus dem Betrieb Robi & JFZH wird das Freizeithaus mit den drei Bereichen Kinder, Jugend und Familie; Eröffnung des Kinder- und Familienfreizeithauses am Standort Hegenheimermattweg 70
• 2018: Ein neues Betriebskonzept für den Begegnungsort mit offenen soziokulturellen Angeboten für Kinder, Jugendlichen, Familien und Erwachsenen ist in Ausarbeitung

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